Eine Sammlung von Ingo Stoll Audiografie
00:00:07: 74Wie klingt eigentlich eine Lebensaudiografie?
00:00:11: Diese Frage bekomme ich ganz oft von Menschen gestellt, wie Ihnen,
00:00:15: die ein einzigartiges Geschenk für Ihren Partner, die eigenen Eltern
00:00:20: oder einen ganz besonderen Wegbegleiter Ihres Lebens suchen.
00:00:24: Ich bin Audiograf Ingo Stoll. Und ich möchte Ihnen in diesen Hörbeispielen einen
00:00:29: Einblick in fertige Lebensaudiografien ganz unterschiedlicher Art geben.
00:00:34: Denn so viel vorweg - jede Lebensgeschichte ist anders.
00:00:38: Sie entsteht in ganz unterschiedlichen
00:00:40: Lebensphasen, mit ganz individuellen Motivationen
00:00:45: und sie erzählt mit der eigenen Stimme von ganz einzigartigen Lebenserfahrungen.
00:00:51: Nehmen Sie sich also etwas Zeit, denn das braucht es vor allem beim Zuhören.
00:00:57: Freuen Sie sich auf einen Querschnitt lebendiger Geschichten und entdecken Sie
00:01:01: die vielfältigen Möglichkeiten der Audiografie.
00:01:05: Alle Ausschnitte sind mit freundlicher
00:01:07: Genehmigung der portraitierten Personen zu hören.
00:01:19: (Hörbeispiel 1) Kapitel neun: "La nouvelle vie à la francaise"
00:01:25: " ... also wenn wir darüber reden, dann brauchen wir mit Sicherheit
00:01:29: eine Stunde, denn dann kommen wir auf meine Liebe zu Frankreich
00:01:34: ... und allem, was damit zusammenhängt."
00:01:37: (Musik)
00:01:50: Im Leben des Chemikers, Unternehmers und
00:01:53: Großvaters nimmt Frankreich einen ganz besonderen Platz ein.
00:01:57: Der Auszug des folgenden Kapitels handelt vom Beginn dieser Lebensliebe.
00:02:02: "Ja, und so kam es, dass ich mit 19 Jahren 1950 schon nach Frankreich konnte.
00:02:09: Na ja, und in Toulon hat mich dann die
00:02:11: Familie Vrenell abgeholt und ich hatte mich nun bekleidet, wie ich
00:02:16: dachte, dass ein junger Franzose sich bekleiden müsse, ich hatte nämlich eine
00:02:19: Baskenmütze vorher erworben und aufgesetzt.
00:02:23: Und (lacht) ... in Toulon, am Mittelmeer, strahlende Sonne, 30 Grad, was immer ...
00:02:30: wie ich dann aus dem Zug rauskam
00:02:32: die waren also so nett und höflich, dass
00:02:34: sie nicht gleich ins Lachen ausgebrochen sind.
00:02:36: Erst hinterher haben sie mir gesagt, was sie für einen Eindruck hatten von mir, als
00:02:39: sie mich da mit dieser Baskenmütze aussteigen sahen.
00:02:43: Na ja, und dann kam ich in die Familie, zwei Knaben meines Alters, und wir hatten
00:02:46: eigentlich von Anfang an ein sehr herzliches Verhältnis.
00:02:50: Ich habe vom ersten Tag an dort zunächst eine Woche an der Cote d'Azur
00:02:55: das müssen Sie sich mal vorstellen ...
00:02:57: 1950, 19 Jahre, aus einem zerstörten Deutschland
00:03:01: Koblenz war noch ziemlich in Schutt - und gerade fing es an, dass man wieder
00:03:06: anständig zu essen bekamen nach der Währungsreform
00:03:08: und dann komme ich in ein Land, in dem
00:03:12: für mich damals Milch und Honig flossen und in dem alles unzerstört war.
00:03:17: Wir waren ja nicht im Norden, wo in der
00:03:19: Invasion alles zerbombt wurde, sondern wir waren im Süden, wo nichts passiert war.
00:03:24: Und ich wurde von der Familie überall mit hingenommen.
00:03:27: Das war ... ein Erweckungserlebnis."
00:03:31: (Musik)
00:03:43: " ... wobei mir
00:03:47: Herr Arno Diz auch deswegen besonders imponierte
00:03:50: er hatte nämlich ein wunderschönes Auto.
00:03:53: Damals gab es den R4 von Renault und Madame Vrenell hatte einen mit Schiebedach,
00:04:01: den durfte ich auch fahren
00:04:03: und Arno Diz hatte die frisierte Version.
00:04:07: Da gab es die Firma Gordini in Frankreich
00:04:10: und die hat aus diesem kleinen 'Cremeschnittchen'
00:04:13: haben Sie im Saarland zu diesem Auto
00:04:14: gesagt, einen besonders schnellen Flitzer gemacht.
00:04:18: Den durfte ich auch mal ausprobieren und
00:04:19: deswegen hatte ich auch zu Herrn Arno Diz
00:04:22: ich war ja auch ein bisschen ein Autonarr
00:04:26: hatte ich auch sehr schnell ein nettes Verhältnis.
00:04:29: Das war immer ganz schön.
00:04:30: Ja, da bin ich zum Franzosen geworden, wenn Sie wollen."
00:04:34: (Musik)
00:04:42: "Dieser erste Aufenthalt 1950, erst eine gute Woche an der Cote d'Azur und
00:04:47: dann sechs Wochen in der Firma, wo ich dann gearbeitet habe und mir Geld
00:04:51: verdient habe, um dann ein paar Tage noch durch Frankreich zu tappern,
00:04:56: die haben den Grundstein gelegt dafür, dass das also dann jedes Jahr passierte
00:05:00: jede Semesterferien ab nach Frankreich
00:05:03: und ... dass ich in dieser Familie Vrenell
00:05:08: der dritte Sohn geworden bin - oder wie man es immer nennen will.
00:05:12: Ja, so bin ich jahr für Jahr immer mehr
00:05:17: in das Leben von Franzosen völlig integriert worden.
00:05:23: Wenn ich kam, dann war das mein zweites Zuhause irgendwie."
00:05:38: Das Hörbuch des Lebens
00:05:40: ist ein Geschenk seiner Frau Angelika zum 90. Geburtstag.
00:05:44: Und in den insgesamt gut 20 Kapiteln des
00:05:47: Lebenswerkes sind auch andere Stimmen von Familienmitgliedern und Freunden zu hören.
00:05:53: Genauso wie in der Audiografie der Familie Averbeck.
00:06:03: (Hörbeispiel 2) "Das ist natürlich auch Opa Averbeck, der hat
00:06:05: natürlich tausende Geschichten - und der kann die auch super erzählen!"
00:06:10: "Weil ... Ich habe in der Zeit auch viel Bücher gelesen von Dominik ...
00:06:18: utopische Romane.
00:06:20: Dann weiß ich, dass mein Großvater und mein Vater
00:06:24: und sagt dann 'Du also mit so'm Sülzkram, da musst du dich nicht mit beschäftigen.'
00:06:31: Und dann habe ich eben doch, weil ich eben erst mal Jahre hier war, habe ich mich
00:06:37: unheimlich mit Wild und mit Tieren und mit Jagd beschäftigt."
00:06:42: Kapitel acht 'Vom Hof zum Hotel'.
00:06:50: "Hätten Sie sich so was vorstellen können?"
00:06:52: "Nee."
00:06:53: sondern 1960, als wir geheiratet haben, haben wir uns sowas nicht vorgestellt.
00:07:01: Nein, überhaupt nicht.
00:07:04: ... dass das so eine Wende genommen hat ..."
00:07:08: "Also, das war ... ganz große Verblüffung.
00:07:13: Eigentlich waren die der festen Meinung,
00:07:15: dass alles das, was wir schaffen wollten, niemand braucht.
00:07:19: Und aus dem Nichtverständnis dessen, was wir machen,
00:07:25: war für Sie die Gefahr, dass der Hof dabei in Gefahr ist, ganz groß."
00:07:34: "Die Spielscheune ...?! Absoluter Blödsinn, nicht wahr?
00:07:38: Ich habe gesagt, 'Das kann doch nicht wahr sein.'
00:07:40: Meine Vorstellung: den Kindern beibringen - und deren Eltern -
00:07:45: beibringen, was hier kreucht und fleucht ... was für Tiere hier lernen, und dass sie ihre Natur
00:07:56: schützen können, dass sie wissen, wovon sie reden."
00:07:59: Wie in allen Familienunternehmen, ist die
00:08:02: Übergabe an die nächste Generation nie ganz geräuschlos und es treffen natürlich
00:08:07: unterschiedliche Welten und Vorstellungen aufeinander.
00:08:10: Und am Beispiel des Landhaus Averbeck
00:08:13: reden wir nicht nur über diese beiden Generationen, sondern auch über die dritte
00:08:18: Generation, dass heißt die Kinder von Frauke und Ross.
00:08:22: Wie haben die denn Veränderung erlebt?
00:08:26: Das wollte ich von Tochter Toni wissen.
00:08:28: "Also manchmal ist es ein bisschen komisch, wenn man so sieht,
00:08:32: was sie so mit den Plätzen anstellen, wo man früher gespielt hat.
00:08:37: Aber im Großen und Ganzen ist es ganz schön."
00:08:41: "Was bedeutet Ihnen Familie?"
00:08:44: "Alles.
00:08:48: doch, ... wir erhalten zusammen. Wenn's auch mal ein bisschen knistert ..."
00:08:54: Die vollständige Audiografie des Landhaus Avabeck können Sie bei Interesse auf der
00:08:59: Website des Familien-Hotels landhausaverbeck.de und in meinem Podcast
00:09:04: "Lebensgeschichten & Autobiografie" hören.
00:09:13: Autobiografien sind jedoch noch mehr als
00:09:16: Lebenserinnerungen und Familiengeschichten über Generationen hinweg.
00:09:20: Sie sind auch Räume für Reflexion des eigenen Lebens.
00:09:24: Und manchmal erschließen sich erst in der
00:09:26: Rückschau für uns die verschlungenen Pfade und ihre Bedeutung.
00:09:31: Darüber sprechen Menschen manchmal für sich und für andere.
00:09:35: So wie Dr. Klaus Weiler, Jahrgang 1940, in seiner
00:09:40: Lebensaudiografie "Vom Kämpfer zum Tänzer" (Hörbeispiel 3)
00:09:45: "Ich habe an meine Kinder und Enkel gedacht.
00:09:50: Die wissen über meine Geschichte praktisch nichts.
00:09:54: Meine Kinder haben das mitgekriegt, aber was sie da mitgekriegt haben, weiß ich
00:09:58: nicht ... mit meiner ganzen Veränderung in meinem Leben ...
00:10:02: Im Augenblick bezieht sich die Erbschaft am
00:10:04: Ende vor allem auf's Materielle
00:10:08: aber, ich sage immer 'die materielle Erbschaft'
00:10:12: ja, ist hilfreich, aber ...
00:10:15: zählt nichts im Vergleich zum anderen.
00:10:20: Vielleicht kommt ein Zeitpunkt, wo es wichtig wäre für sie
00:10:23: ... und dann bin ich vielleicht nicht mehr da
00:10:25: und das wäre schön für Sie, das verfügbar zu haben.
00:10:29: Das ist eigentlich meine Motivation für
00:10:30: irgendjemanden was noch zu geben. Was andere damit anfangen können,
00:10:34: da habe ich keine Ahnung, das ist offen.
00:10:37: Aber da habe ich eine Absicht."
00:10:40: (Musik)
00:10:51: "Ich hatte diese Frau im Rücken und dann
00:10:53: bin ich auch in den Beruf eingestiegen - und war erfolgreich auch darin.
00:10:59: Wohl wahrscheinlich
00:11:01: von meinen technischen Fähigkeiten und von meinem ... von vielen Fähigkeiten her war ich
00:11:05: erfolgreich im Marketing, war Produktmanager und war sehr, sehr, sehr ...
00:11:09: aber vom Selbstbewusstsein her brauchte ich einfach die Stütze meiner Frau.
00:11:18: Und das ging viele Jahre so ... Leben aufgebaut, in Sicherheit,
00:11:22: Management, alles nach außen hin normales Leben ...
00:11:28: deswegen, wenn ich so was sehe, weiß ich, dass sich da was ganz anderes
00:11:32: verbergen kann, hinter erfolgreichen Menschen.
00:11:35: Und ich war auch so ein 'erfolgreicher Mensch'.
00:11:38: Es war eine Fassade, eine materielle, äußere Fassade
00:11:42: da stimmte alles. Aber nach innen war es wie ...
00:11:46: morsch oder hohl."
00:11:50: Du hast mal kurz das Thema Liebe gestreift
00:11:57: ... interessanterweise im Kontext von Ehe. Was ist denn Liebe für dich?
00:12:05: "Ich denke, Liebe kann man nicht definieren.
00:12:08: Liebe ist. Liebe ist alles.
00:12:12: Das heißt, letzten Endes ist Liebe, wenn ich es erklären sollte, ist, ...
00:12:19: wenn alles eine Einheit ist. Und es gibt keine getrennten Teile,
00:12:25: sondern es sind alles integrale Teile einer Ganzheit.
00:12:30: Dann ist Liebe diese Zusammengehörigkeit.
00:12:34: Dann ist Liebe, was ich dir gebe, gebe ich mir.
00:12:38: Und Liebe ist eben genau das Gegenteil von dem, was wir meistens ... was wir denken darüber."
00:12:47: (Musik)
00:12:57: In einer Audiografie ist es nicht nur interessant zurückzuschauen,
00:13:02: sondern auch nach vorne zu blicken.
00:13:06: "Wie alt möchtest du werden?"
00:13:12: "Ich weiß gar nicht, ob ich diese Antwort geben soll?
00:13:18: Weil ich möchte mich nicht begrenzen.
00:13:23: Natürlich stellt man sich die Frage und habe ich mir die Frage gestellt
00:13:28: und dann kommen Antworten wie
00:13:30: 'solange ich physisch selbstständig bin, keiner zur Last fallen...'
00:13:34: und so weiter.
00:13:34: Und ... kann ich bestimmen, ob ich jemandem zur Last falle?
00:13:38: Ich kann ja nicht für den anderen denken.
00:13:40: also könnte es sein, dass ich jemanden zur Last fallen ein Geschenk für den anderen ist ...
00:13:45: also auch das ist ... kann sein, also ...
00:13:49: es geht nicht um mein Leben, wie alt will ich werden? Das wäre ein Ego-Denken.
00:13:54: Ich möchte sagen, ... ich habe keine Ahnung.
00:13:56: Ich möchte so, solange ich dienen kann
00:13:59: so lang mein Leben dient, dem Ganzen dient, solange möchte ich leben.
00:14:09: Dann erfüllt's meinen Zweck auch."
00:14:11: Zu den schönsten Erlebnissen einer Audiografie zählt für mich immer, wenn
00:14:16: Menschen beim Erzählen für sich selber noch etwas Neues entdecken.
00:14:20: "Ich bin sehr dankbar dafür, weil dieser ganze Prozess mir die
00:14:25: Möglichkeit gibt, noch mal Revue passieren zu lassen
00:14:28: 'was ist denn alles gewesen, bisher in meinem Leben?'
00:14:32: Und du hast mich ja immer wieder mit
00:14:33: deinen Fragen dahin gebracht, noch mal hinzuschauen.
00:14:36: und dadurch habe ich Sachen entdeckt, oder ist mir klarer ...
00:14:39: nicht, dass ich es nicht wusste, aber... ich habe sie stärker in den Fokus genommen
00:14:44: du hast mir die Möglichkeit gegeben, über
00:14:47: mich zu sprechen, etwas aus mir herauszuziehen,
00:14:51: was mir einen größeren Überblick über mein Leben gegeben hat. Was mich sehr erfüllt."
00:14:57: Die vollständige Lebensaudiografie von Klaus Weyler finden Sie ebenfalls im
00:15:02: Podcast "Lebensgeschichten & Audiografie".
00:15:06: (Musik)
00:15:19: Audiografie bedeutet: erzählen, bewahren und teilhaben.
00:15:24: Von den glücklichen Momenten ungeahnten Wendungen, aber auch von den
00:15:29: essenziellen Lebenskrisen und schicksalhaften Veränderungen.
00:15:33: Maren Fromm, Jahrgang 1972
00:15:37: erzählt in ihrer Audiografie "Wege des Herzens" von genau solchen Momenten.
00:15:44: (Hörbeispiel 4) "Ja, 2013 war dann ein ziemlich bewegendes Jahr.
00:15:48: Ich hab dann im April 2013 Bewerbungen geschrieben ...
00:15:54: und ... weil aber zum Beispiel ... der ...
00:16:00: das ins-Laufen-bringen meiner Praxis
00:16:04: drei Jahre wirklich auch sehr anstrengend war und mit viel Verantwortung
00:16:09: viele Stunden arbeiten ... habe ich dann damals gedacht
00:16:13: okay, und ich nehme jetzt 'nen Job, wo ich mal durchatmen kann,
00:16:18: wo ich diese Trennung verarbeiten kann,
00:16:21: wo ich diese Entscheidung verarbeiten kann,
00:16:24: dass ich meine Praxis aufgebe, wo ich mal weniger arbeite und auch für
00:16:28: mein Kind da bin ... und habe mich dann beim Daimler beworben.
00:16:33: Die haben so eine Betriebs-Kita "Sternchen",
00:16:35: heißt die ... und habe in der Krippe gearbeitet.
00:16:39: Und ich weiß noch, wie ich an meinem
00:16:41: ersten Arbeitstag im Garten dieser Krippe saß,
00:16:45: das war mein Geburtstag, mein 41 Geburtstag,
00:16:49: und ich hab im Garten gesessen und hätte auf Kinder aufpassen sollen
00:16:54: ich habe geweint.
00:16:57: Ich war so, so traurig.
00:17:00: Also, das werde ich nie vergessen.
00:17:02: ich habe zu dem Zeitpunkt nicht mehr geraucht.
00:17:06: Ich bin zur Tankstelle nach Feierabend gefahren und habe mir Zigaretten gekauft.
00:17:09: Wie blöd ist das denn?
00:17:11: Ja, und hab dann in meinem Auto nach Feierabend gesessen, geheult und geraucht.
00:17:19: Mit dem Moment kamen auch die Gedanken
00:17:24: 'Was habe ich überhaupt für ein Leben geführt?'
00:17:28: ist es mein Leben gewesen, das ich geführt habe?
00:17:33: Oder will ich eigentlich was ganz anderes?
00:17:35: Und wo soll es hingehen? Was will ich?
00:17:38: Und wer bin ich denn?"
00:17:40: (Musik)
00:17:52: Maren Fromm hat ihre Geschichte erzählt und geteilt, um anderen Menschen Mut zu
00:17:57: machen, ihren Weg in eine positive Zukunft zu finden.
00:18:02: Wenn Sie möchten, können Sie an dieser
00:18:03: Geschichte teilhaben - auf Ihrer Website wegedesherzens.de.
00:18:13: Wenn Menschen erzählen, geht es manchmal um ganz vermeintlich banale, alltägliche
00:18:18: Dinge, die für sie beim Erzählen aber eine besondere Bedeutung haben.
00:18:24: Und manchmal geht es um ganz dramatische
00:18:26: Lebensereignisse wie in der Geschichte der beiden Schwestern Kati und Nicole,
00:18:32: aus deren Erzählung ich Ihnen die ersten fünf Minuten ans Herz legen möchte.
00:18:38: (Musik)
00:18:41: (Hörbeispiel 5) Die Hand am Kinderwagen.
00:18:44: Die ungewöhnliche Lebensgeschichte der Schwestern Nicole und Katrin.
00:18:50: Eine Produktion von Audiograf Ingo Stoll, 2020
00:19:01: "In der Tat haben wir fast zeitgleich die Nummer in die Hand bekommen.
00:19:05: Und ... ich wusste, dass Kati gerade nicht telefonieren konnte,
00:19:13: weil sie im Sportkurs war
00:19:16: und ich war so aufgeregt, diese Nummer in den Händen zu halten
00:19:20: ich so, ... ich hab ... ich muss irgendwas machen!
00:19:23: Ich kann nicht hier warten, bis sie ihren Kurs fertig hat.
00:19:25: Ich muss jetzt irgendwas machen!
00:19:28: Und dann habe ich ... ich starrte auf mein Handy
00:19:31: eine Freundin von mir war daneben, weil ich war mit ihr verabredet,
00:19:36: die hat das Ganze miterlebt, ... und ich so zu meiner Freundin:
00:19:40: ich schreib er jetzt einfach eine WhatsApp, dann mache ich was jetzt.
00:19:44: Und dann habe ich die WhatsApp geschrieben
00:19:47: leider habe ich die nicht mehr ...
00:19:48: Ich habe einfach - ich weiß gar nicht mehr so genau, was ich geschrieben habe.
00:19:51: 'Hallo Kati, hier ist deine Schwester.'
00:19:53: ... so ganz gerade heraus, ne ..."
00:19:56: "Du hast exakt geschrieben:
00:19:57: 'Hallo Kati, hier ist deine Schwester Nicole.
00:20:00: Ich freue mich darauf, dich kennenzulernen.'"
00:20:02: "Ach, siehste ... und das habe ich dann abgeschickt.
00:20:08: Und dann saß ich wieder vor dem Handy.
00:20:10: Meine Freundin - muss man sich wirklich vorstellen -
00:20:12: wir sitzen beide nebeneinander und starren die ganze Zeit, wie als wenn man beim
00:20:16: Toaster wartet, dass das Toastbrot rauskommt, starrten wir beide auf das Handy ...
00:20:21: Und irgendwann war Kati ja fertig mit dem Kurs und guckte aufs Handy.
00:20:27: Dann sieht man ja bei WhatsApp
00:20:29: ist 'online' ... und dann fing sie auch an zu schreiben und dann - wow -
00:20:33: dann ging es los! Und ich so: 'Ahh ... sie schreibt!'
00:20:36: Und so ist das erste Mal unser Kontakt gewesen.
00:20:39: Wir haben erstmal nur per WhatsApp gefühlte 600 Nachrichten geschrieben.
00:20:45: Ich weiß nicht, warum wir nicht telefoniert haben.
00:20:47: Wahrscheinlich weil wir erst mal so, so drinne waren
00:20:50: das ist ja wirklich wie so ein Tunnel
00:20:53: so ein Moment und wir haben da den ganzen Abend erstmal nur geschrieben."
00:20:59: Donnerstag, 12. Mai 2016
00:21:03: Was die beiden Schwestern, Nicole Jung und Katrin Beier, hier beschreiben,
00:21:07: ist der Moment des allerersten Kontaktes nach über 40 Jahren der Trennung, in denen
00:21:12: sie über weite Strecken ihres Lebens nichts voneinander gewusst haben.
00:21:17: "Von der Planung her war der erste Step ja, dass wir erst mal telefoniert haben.
00:21:22: Und da wurde mir auch bewusst
00:21:24: ich habe eine Schwester, also das muss man auch erstmal wieder realisieren
00:21:28: Ich wusste vorher gar nicht, dass ich eine Schwester habe.
00:21:30: Und dieses Gefühl, jemanden zu haben, weil ich bis dato so ziemlich alleine war ...
00:21:36: Und jetzt hatte ich plötzlich wieder eine Familie ...
00:21:39: dass es mehr und mehr vom Gefühl her als die erste Liebe und Treffen
00:21:44: und das ist es noch viel, kann ich dir
00:21:47: sagen, ist noch viel, viel intensiver und emotionaler.
00:21:50: Und dieses erste Telefonat war so so wichtig ... Was danach folgte,
00:21:57: ich bin ja dann nach Hamburg gefahren, war ich auch sehr gut abgelenkt
00:22:01: Ich wäre am liebsten natürlich sofort,
00:22:03: ich hatte so das Gefühl, ich muss sofort zu Kati.
00:22:06: Sofort.
00:22:07: Ging natürlich nicht.
00:22:08: Also es war so und es war bloß viel ablenken.
00:22:12: erstmal in der Familie in Hamburg und dann konnte ich es kaum abwarten.
00:22:16: Also so, so wars, so meine drei Tage, bis wir uns dann gesehen haben."
00:22:22: "Und bei mir war es ähnlich.
00:22:24: Also, ich weiß, dass für mich
00:22:26: dieses erste Telefonat auch so'n Meilenstein war, weil wir da einfach
00:22:31: mehr Kontakt als nur über die WhatsApp hatten.
00:22:34: Wir haben in dieser einen Stunde so viel telefoniert und besprochen,
00:22:39: gefühlt würde ich sagen, es waren Drei-Stunden-Telefonat.
00:22:42: Ich weiß ziemlich genau, dass es nur eine Stunde war, weil ich um 9:00 Uhr einen Termin
00:22:46: hatte und wir haben uns für 8:00 Uhr verabredet zum Telefonieren."
00:22:49: "Ja, das war so überraschend vertraut und ich konnte es mir nicht erklären.
00:22:55: Ich habe es dann auch ...
00:22:56: also, ich wollte es mir dann auch gar nicht erklären
00:22:58: Ich habe das alles, jedes Wort, wie ein Geschenk genommen."
00:23:04: (Musik)
00:23:26: Audiografie bedeutet, dem Leben zuzuhören
00:23:31: und die Menschen an die Orte zu begleiten, die ihr Leben prägen.
00:23:34: Im Fall des Bildhauers und Künstlers Thomas Adoneis ist es sein Atelier, in dem
00:23:40: er seit 2015 - Tag für Tag - einen 21 Tonnen schweren Sandsteinblock bearbeitet, um aus ihm
00:23:49: die Skulptur des Schloss Neuschwanstein zu erschaffen.
00:23:53: Ein echtes Lebensprojekt.
00:23:57: (Hörbeispiel 6) "Du arbeitest und dein Gehirn rattert mit einem ganz anderen Scheiß, ne?
00:24:03: Furchtbar manchmal."
00:24:06: "Was denkst du dabei?"
00:24:08: "Alles Mögliche geht dir durch, bei der Arbeit, ...
00:24:12: Alles andere läuft ja von alleine ... die Arbeit.
00:24:28: Unheimlich viel Zeit ... deswegen manchmal ist es so, ... Scheiße, manchmal.
00:24:36: Wenn du dich ärgerst über gewisse Sachen, dann steigerst du dich richtig rein, manchmal."
00:24:45: "Hast du ...
00:24:51: du bist ja ganz oft alleine hier, oder?"
00:24:53: "Immer. Fast immer."
00:24:56: "Ist Einsamkeit ein Problem?
00:25:00: Oder ist es einfach so?"
00:25:02: "Och, ... Ich fühle mich wohl hier alleine.
00:25:05: Also ich komme da gut mit klar, halt.
00:25:08: Du baust ja deine eigene Welt auf hier.
00:25:14: Hat Vor- und Nachteile.
00:25:17: Dir kann keiner sagen, was zu tun ist oder
00:25:19: irgendwas anderes ... bist dein eigener Herr hier
00:25:23: Nachteil: du vereinsamt ja auch.
00:25:27: Du kommst ja mit der Außenwelt gar nicht mehr klar.
00:25:29: Irgendwann, im Laufe der Jahre ...
00:25:33: wenn du ewig im Atelier bist, hast du gar keinen Bezug mehr zur Außenwelt.
00:25:37: Und demzufolge ... kommen viele gar nicht klar mit dir mehr,
00:25:45: weil es immer Konflikte gibt, halt ... oder mit meiner Art nicht klarkommen
00:25:52: ich bin halt ein direkter Mensch
00:25:54: und ... wenn mir was nicht passt, dann dann sag ich's gleich halt ... und ...
00:26:02: einfach bin ich auch nicht ... aber ... wer ist das schon?
00:26:10: Aber im Ganzen, klar ... man vereinsamt auch, logisch.
00:26:19: Aber, ... weiß nicht ....
00:26:28: Der Stein versteht mich - alles ist gut.
00:26:33: Gut, so einen Job kannst du nicht machen, wenn du Familie hat.
00:26:39: Das Ganze funktioniert nicht.
00:26:41: So Künstler sind, glaube ich, alle einsam, irgendwo auf ihre Art!
00:26:45: oder machen ihr eigenes Ding.
00:26:48: Ich glaube, wenn ich jetzt überlege, die ich kenne, die sind alle so, ticken so.
00:26:54: Die haben alle ihre eigene Welt aufgebaut.
00:26:57: Das wird gar nicht gehen, glaube ich."
00:27:02: (Musik)
00:27:11: Und manchmal ist dieser Ort ein vergessener Bunker, irgendwo im polnischen Borne Sulinowo ...
00:27:20: (Hörbeispiel 7) "Also, man nach dem Ersten Weltkrieg Angst, um das Gasangriff ...
00:27:25: und von daher gibt es auch Ventilatoren,
00:27:27: damit die frische Luft haben und sich damit auch versorgen könnten."
00:27:37: "Ja, hier ist ja der Bunker, oder?"
00:27:40: "Auf den Kopf aufpassen."
00:27:43: "Ja." "Oh, nein - ich hab Angst"
00:27:47: "... das sind 380m Korridors ..."
00:27:52: Und damit möchte ich den Rundgang und
00:27:54: unseren Einblick in die Lebensaudiografie für heute beenden.
00:27:58: Ich hoffe, Sie konnten sich ein Bild davon machen, wie eine Lebensgeschichte als
00:28:03: Audiobiographie klingen kann, künstlerisch collagiert,
00:28:07: mit intensiven Gesprächen und abgestimmter Musik veredelt.
00:28:12: Lassen Sie uns gerne darüber sprechen, an welchen besonderen Menschen Sie denken und
00:28:17: wie dessen Audiografie gestaltet werden könnte.
00:28:20: Vielen Dank fürs Zuhören!
00:28:22: Ihr Audiograf Ingo Stoll.
00:28:26: (Musik) Ingo Stoll Audiografie.
00:28:31: Das Leben erzählt die schönsten Geschichten.
00:28:37: "Einer der bewegenden Momente in meinem Leben."
00:28:39: "Da gibt es so viele Sachen zu erzählen."
00:28:41: "Ich krieg jetzt schon wieder ne Gänsehaut. Es gab keinen Strom, kein Wasser, keine Kanalisation"
00:28:45: "Die Geburt meiner Tochter" "Der Tot unserer Mutter"
00:28:48: "... dass ich heute der bin, der ich bin."
00:28:50: "... und das ist die Inspiration."
00:28:52: (Musik - Ende.)